Religiöse Neutralität ist Pflicht des Staates und der Lehrkräfte
Das hessische Schulgesetz legt die Pflicht der Lehrer zur Neutralität in religiösen Fragen fest. Gleichzeitig verankert es den Religionsunterricht als normales Unterrichtsfach. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sieht einen Zusammenhang zwischen religiöser Neutralität und religiösem Frieden.
§ 86 Hessisches Schulgesetz – Rechtsstellung der Lehrerinnen und Lehrer
Vor dem Hintergrund der christlichabendländischen Tradition Hessens, des Humanismus und der kulturellen und religiösen Vielfalt der hier lebenden Menschen sowie zur Gewährleistung der Grundsätze des § 3 Abs. 1 haben die Lehrkräfte in Schule und Unterricht politische, religiöse und weltanschauliche Neutralität zu wahren; § 8 bleibt unberührt. Insbesondere ist ein Verhalten unzulässig, das objektiv geeignet ist, das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden in der Schule zu gefährden.
§ 68 Abs. 2 Beamtengesetz
Beamte haben sich im Dienst politisch, weltanschaulich und religiös neutral zu verhalten. Insbesondere dürfen sie Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale nicht tragen oder verwenden, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden zu gefährden. Bei der Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 und 2 ist der christlich und humanistisch geprägten abendländischen Tradition des Landes Hessen angemessen Rechnung zu tragen.
§ 8 HSchG – Religionsunterricht und Ethikunterricht
(1) Religion ist ordentliches Unterrichtsfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Kirchen oder Religionsgemeinschaften erteilt. Die Kirchen oder Religionsgemeinschaften können sich durch Beauftragte vergewissern, dass der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen ihres Bekenntnisses erteilt wird. (...)
(3) Eine Abmeldung vom Religionsunterricht ist möglich. Hierüber entscheiden die Eltern, nach Vollendung des 14. Lebensjahres die Schülerinnen und Schüler.
(4) Die Schülerinnen und Schüler, die am Religionsunterricht nicht teilnehmen, sind verpflichtet, an einem Ethikunterricht teilzunehmen, in dem ihnen das Verständnis für Wertvorstellungen und ethische Grundsätze und der Zugang zu ethischen, philosophischen und religionskundlichen Fragen vermittelt wird. ...
Link zum Schulgesetz ...
Aus dem Kruzifixurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16.Mai 1995
Die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, verstößt gegen Art. 4 Abs. 1 GG. (...)
Gründe
Zusammen mit der allgemeinen Schulpflicht führen Kreuze in Unterrichtsräumen dazu, daß die Schüler während des Unterrichts von Staats wegen und ohne Ausweichmöglichkeit mit diesem Symbol konfrontiert sind und gezwungen werden, "unter dem Kreuz" zu lernen. Dadurch unterscheidet sich die Anbringung von Kreuzen in Klassenzimmern von der im Alltagsleben häufig auftretenden Konfrontation mit religiösen Symbolen der verschiedensten Glaubensrichtungen. Zum einen geht diese nicht vom Staat aus, sondern ist eine Folge der Verbreitung unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen und Religionsgemeinschaften in der Gesellschaft. Zum anderen besitzt sie nicht denselben Grad von Unausweichlichkeit. Zwar hat es der Einzelne nicht in der Hand, ob er im Straßenbild, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim Betreten von Gebäuden religiösen Symbolen oder Manifestationen begegnet. Es handelt sich in der Regel jedoch um ein flüchtiges Zusammentreffen, und selbst bei längerer Konfrontation beruht diese nicht auf einem notfalls mit Sanktionen durchsetzbaren Zwang.
(...)
Der Staat, in dem Anhänger unterschiedlicher oder gar gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusammenleben, kann die friedliche Koexistenz nur gewährleisten, wenn er selber in Glaubensfragen Neutralität bewahrt. Er darf daher den religiösen Frieden in einer Gesellschaft nicht von sich aus gefährden.
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Link zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Heute gilt in Bayern: „Angesichts der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns wird in jedem Klassenraum ein Kreuz angebracht. Damit kommt der Wille zum Ausdruck, die obersten Bildungsziele der Verfassung auf der Grundlage christlicher und abendländischer Werte unter Wahrung der Glaubensfreiheit zu verwirklichen. Wird der Anbringung des Kreuzes aus ernsthaften und einsehbaren Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung durch die Erziehungsberechtigten widersprochen, versucht der Schulleiter eine gütliche Einigung. Gelingt eine Einigung nicht, hat er nach Unterrichtung des Schulamts für den Einzelfall eine Regelung zu treffen, welche die Glaubensfreiheit des Widersprechenden achtet und die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen aller in der Klasse Betroffenen zu einem gerechten Ausgleich bringt; dabei ist auch der Wille der Mehrheit soweit möglich zu berücksichtigen.“ (Art. 7 Abs. 3 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen)
Religiös-weltanschauliche Neutralität
Auch wenn der Grundsatz der religiös-weltanschaulichen Neutralität nicht ausdrücklich im Grundgesetz verankert ist, er ergibt sich doch aus der Zusammenschau der verschiedenen Verfassungsnormen über das Verhältnis zwischen Staat und Religion. Zu diesen Normen gehören die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG, das Verbot der Staatskirche nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV und die Diskriminierungsverbote in Art. 3 und Art. 33 Abs. 3 GG. (...)
Der Grundsatz der religiösen Neutralität des Staates verlangt nicht danach, die in unserer Gesellschaft bestehende religiöse Vielfalt aus der öffentlichen Schule fernzuhalten. Im Gegenteil ist die Widerspiegelung der religiösen Vielfalt innerhalb der Schule eine Voraussetzung dafür, daß die Schule auf Integration und Toleranz hin erziehen kann.
(Ulrich Rhode: Religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen. in: Recht auf Mission contra Religionsfreiheit? Das christliche Europa auf dem Prüfstand, hrsg. v. P. Krämer u. a., Berlin 2007, 167-178)