5 Religion

Im Judentum, im Islam und in vielen anderen Kulturen der Welt wird bei Jungen die Vorhaut aus religiösen und traditionellen Gründen entfernt. In vielen Kulturen und Ländern ist die Beschneidung des Jungen oder des Mannes fester Bestandteil des Lebens.
Bei der Beschneidung sind religiöse und kulturelle Gründe nicht immer voneinander zu trennen. Zu einer Religion gehören Gesetze, Regeln, Geschichten und Riten, und nicht jeder Ritus muss einen allgemein erklärlichen „Sinn“ ergeben.
Es gibt drei Glaubensgemeinschaften, die auf den Stammvater Abraham zurückgehen: Christentum, Islam, Judentum. Muslime und Juden praktizieren die Beschneidung bei Jungen aus religiösen Gründen. Von Anfang an standen sich Judentum und Islam nahe, da sie ähnliche Vorstellungen von Glauben und Religion haben. Auch die Riten ähneln sich: Beschneidung, tägliche Gebete, Reinheitsregeln beim Essen. Beide Religionen empfinden sich als von Gott auserwählte Glaubensgemeinschaften und müssen sehr detaillierte Regeln befolgen, um ihrem Gott zu gefallen.
Für Muslime und Muslima ist die Beschneidung von Jungen ein Zeichen der Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft und ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis. Beschneidungen werden direkt nach der Geburt bis ins Jugendalter hinein vorgenommen (meist zwischen dem dritten und neunten Lebensjahr). Häufig ist der Eingriff Teil eines Initiationsrituals (von der Kindheit zum Verantwortungsbereich des Erwachsenen).
Der Eintritt in den Islam wird nicht durch die Beschneidung, sondern durch das aufrichtige Aussprechen des Glaubensbekenntnisses, der Schahada, vor zwei Zeugen vollzogen. Die Beschneidung als solche hat keinen religiösen Gehalt, vielmehr führt sie eine Tradition unter islamischen Vorzeichen fort, die auch in vorislamischer Zeit bereits bekannt war.
Der Brauch wird in der islamischen Überlieferung, aber nicht explizit im Koran erwähnt. Im Koran findet sich keine Erwähnung einer Beschneidung. Angeblich jedoch kam der Prophet Mohammed ohne Vorhaut auf die Welt, und so schreibt die Sunna - die Überlieferung der Worte und Taten Mohammeds - die Beschneidung vor.
Türkei: weil Sunna auf Türkisch "Sünnet" heißt, ist dies in der Türkei bis heute das Wort für Beschneidung. Der Fachmann mit medizinischer Ausbildung für Beschneidung heißt "Sünnetci". In der Türkei gibt es eine besondere Veranstaltung: "Sünnet Dügünü", das Beschneidungsfest, das manchmal so aufwändig wie eine Hochzeit gefeiert wird. Daher organisieren Eltern zuweilen gemeinsame Beschneidungsfeiern für mehrere Jungen. Für viele türkische Jungen ist dies ein großer Tag, an dem sie wie kleine Prinzen gekleidet und durch Süßigkeiten und Geschenke über den erlittenen Schmerz hinweggetröstet werden.
Für Juden und Jüdinnen gilt die Beschneidung ("Brit Mila") als eines der wichtigsten Gebote und Symbol für den Bund Gottes mit den Menschen. Sie wird traditionell - mit einem Tropfen süßen Weins als Betäubung - am achten Tag nach der Geburt von einem Fachmann für rituelle Beschneidung, dem Mohel, durchgeführt und mit einem großen Fest begangen. Der abrahamitische Bund zwischen dem acht Tage alten Säugling und Gott durch den Akt der Beschneidung ist ein konstitutiver Bestandteil der Religion, der für die allermeisten Rabbiner somit nicht verhandelbar ist. Die Praktik geht auf das 1. Buch Mose, Kapitel 17 [12] im Alten Testament zurück, wo die Beschneidung als sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zum jüdischen Volk eingeführt wird.
Für Christen und Christinnen herrscht ein anderes Verständnis der Beschneidung. Die Beschneidung im christlichen Sinne ist eine geistliche, indem man sozusagen seine Gedanken und sein Handeln nach Jesus Christus richtet, nach dem Evangelium. Die fleischliche Beschneidung im Verständnis des Judentum und Islam ist keine Pflicht der Christen, jedoch auch nicht verboten. Im Christentum wurde das Ritual der Beschneidung der männlichen Neugeborenen, das zugleich ein Ritual des Namens bzw. seiner Zuerteilung darstellt, weitgehend durch das der Taufe abgelöst.
Bei allen Religionen ist klar, dass das Recht auf Religionsfreiheit auch das Recht der Eltern auf religiöse Erziehung ihrer Kinder beinhaltet.