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Materialien

Buchhinweis

Globalen Lernen - Philosophie - Religion/Ethik - Politik






Bibliographische Angaben:




John Gray : Politik der Apokalypse . Wie falsch verstandene Religion die Welt in die Krise stürzt. Aus dem Englischen von Christoph Trunk. 368 Seiten. Taschenbuchausgabe. dtv. München. 1. Auflage, Januar 2012 . ISBN 978-3-423-34692-4



Zum Buch:








Die Politik der Moderne ist ein Kapitel der Religionsgeschichte. Die größten revolutionären Umbrüche, welche die vergangenen zwei Jahrhunderte entscheidend prägten, waren Episoden der Glaubensgeschichte - Wegmarken, die den nicht enden wollenden Zerfall des Christentums und den Aufstieg der politischer Religionen anzeigen. Unsere Welt am Beginn des neuen Jahrtausends ist übersät mit den Trümmern utopischer Projekte, die zwar säkular auftraten und sich religiösen Vorstellungen widersetzten, in Wirklichkeit aber von religiösen Mythen getragen waren“ (S.9) Dieser Anfang des Buches hat zunächst Kommunismus und Nationalsozialismus im Blick, sieht aber „neokonservative Theorien“, die „universelle Demokratie und einen globalen freien Markt“als Zielvorstellung im Blick haben. Dieser Glaube, die Menschheit stünde an der Schwelle einer die neuen Ära, kommt sozialwissenschaftlich daher, ist aber einfach nur die neueste Spielart apokalyptischer Anschauungen, die bis in die Antike zurückreichen“ (S.9).

J. Gray stellt so den wesentlichen Ausgangspunkt seiner Gedanken im Kapitel „Tod er Utopie“ an den Anfang des Buches. Er sieht vom Christentum ausgehend eine problematische Entwicklung. „Der frühchristliche Glaube, das von Gott herbeigeführte Ende der Zeiten stehe bevor, nahm über 200 Jahre lang die Gestalt der Überzeugung an, der Mensch könne Utopien durch sein Handeln Wirklichkeit werden lassen. Frühchristliche Apokalyptik, nun aber wissenschaftlich verbrämt, ließ eine neue, im Glauben gründende Form der Gewalt entstehen“(S.12). Im Blick auf die (auch von Apokalyptik und Utopie geprägte) Geschichte des Christentums und die Entwicklungen im 20. Jahrhundert (z.B. islamistischer Terror und Krieg gegen den Terror im Irak ausgehend von der Bush-Regierung) lautet die Einschätzung „Der säkulare Terror der Moderne ist eine Abart der Gewalt, von der das Christentum in seiner gesamten Geschichte2 durchdrungen ist“ (S.12).



In 6 Kapiteln macht der Autor „falsch verstandene Religion“ (Buch Untertitel) als einen wesentlichen Faktor großer Krisen zum Untersuchungsgegenstand.

1 Tod der Utopie

2 Aufklärung und Terror im 20. Jahrhundert (u.a. „Der Sowjetkommunismus: eine millenarische Revolution der Moderne/Nationalsozialismus und Aufklärung/Terror und westliche Tradition )

3 Der Utopismus greift auf den politischen Mainstream über (u.a. M. Thatcher, Neoliberalismus,T. Blair)

4 Die Amerikanisierung der Apokalypse

5 Bewaffnete Missionare (Der Irak: ein utopistisches Experiment im 20. Jahrhundert/ ... /Warum der „Krieg gegen den Terror“ nicht zu gewinnen ist

6 Post - Apokalypse



Grays Blick auf die Konsequenzen?

Apokalyptik - „Der Mythos vom Weltende hat namenloses Leid über die Menschheit gebracht und ist gefährlich wie eh und je. Politik wurde zum Experimentierfeld von Weltverbesserungsprojekten. Die säkularen Religionen der letzten beiden Jahrhunderte, die das Ende von von Anarchie und Tyrannei prophezeiten, haben ihn nur mit noch größerer Gewaltsamkeit aufgeladen. Die Politik eignet in sich nicht zum Vehikel der zur Menschheitsbeglückung. Im besten Fall ist sie die Kunst, in angemessener Weise auf den Fluss der Ereignisse zu reagieren. Dazu ist keine hochfliegende Fortschrittsvision notwendig, sondern nur der Mut, unausrottbaren Übeln ins Auge zu sehen“(S. 325 f.).

Zum Autor: John Gray ist emeritierter Professor für Europäische Ideengeschichte an der London School of Economics. International bekannt wurde er durch zahlreiche Sendungen für die BBC und als Autor .


Einordnung für die Bildungsarbeit

Politische Theorie und „weltanschauliche Grundlagen“ von Politik und politischem Handeln sind schon immer Thema in der Schule - natürlich in der politischen Bildung, regelmäßig aber auch im Zusammenhängen von Philosophie -, Ethik - und Religionsunterricht. Hier will ich auf die Bedeutung für den allgemeinen (und durchaus fächerübergreifenden) Zugang „Globales Lernen“ hinweisen. „Globale Entwicklung“ (so der Name des Lernbereichs im entsprechenden Lehrplan) ist ohne einen Blick auf weltanschauliche Hintergründe aktueller Entwicklungen (nicht nur in der Perspektive Huntingtons vom Kampf der Kulturen) nicht denkbar. John Gray stellt hier einen Blick auf Religion, Weltanschauung und politische Theorie zur Diskussion, der nicht Trennendes von (religiös geprägten) Kulturen im Blick hat, sondern Gemeinsames - „Apokalyptik“ und daraus sich bildende religiös „befeuerte“ Utopie mit „Gewalt im Gefolge“. Dies findet er in politischen Theorien, z.B. auch dem Liberalismus und Neoliberalismus, durchaus wieder aufgenommen. Dieser Zugang kann die schulische Auseinandersetzung und pädagogische Bemühung um „Globale Entwicklung“ (in der Sekundarstufe II) nur bereichern.





Martin Geisz